Auf den ersten Blick haben Cosplay und das Lesen nicht viel gemeinsam: Da die auffälligen Menschen, die in ihren auffälligen Kostümen posen und über Messen flanieren. Dort die stillen Bücherwürmer, die zuhause im Jogginganzug in ferne Welten abtauchen.
Aber wie an vielen Stellen vermischen sich Szenen, gerade wenn es um inspirierende Welten und kreatives Schaffen geht. Aber um zu verstehen, wie diese beiden Hobbies aufeinander treffen, muss man die Geschichte des Cosplays verstehen.
Geschichte des Cosplay
Die meisten von uns denken, Cosplay wäre in Japan erfunden worden. Und wenn es um die Ausprägung und den Namen geht stimmt das auch. Aber das vielleicht erste dokumentierte Cosplay-ähnliche Ereignis war ein Maskenball, den der französische Science-Fiction-Autor Jules Verne (wir erinnern uns, einer der ersten Science-Fiction-Autoren) im späten 19. Jahrhundert ausrichtete. Obwohl dies keine Voraussetzung für die Veranstaltung war, trugen viele der Teilnehmer Kostüme, die von Figuren aus Vernes Büchern inspiriert waren. Auch in den 1900er Jahren gab es dokumentierte Fälle, in denen sich Menschen bei Veranstaltungen als beliebte fiktive Figuren verkleideten. Zu den einflussreichsten Kostümierten gehörten Myrtle Rebecca Douglas Smith Gray Nolan - auch bekannt als Myrtle R. Douglas oder „Morojo“ - und ihr Partner Forrest J. Ackerman, die in der Science-Fiction-Fangemeinde sehr aktiv waren und gemeinsam ihre eigenen Fan-Magazine (Fanzines) herausgaben. 1939 nahmen sie an der ersten World Science Fiction Convention (heute Worldcon) in New York City teil. Sie trugen von Nolan handgefertigte Kostüme, die von dem Film Things to Come (1936), geschrieben von H.G. Wells, inspiriert waren. Ihr Auftritt regte andere Fans an, sich ebenfalls zu verkleiden, und im folgenden Jahr kamen so viele Menschen in Kostümen, dass der Worldcon einen spontanen Kostümwettbewerb veranstaltete. Diese Wettbewerbe wurden zu einer jährlichen Tradition auf späteren Conventions.
In den 1960er Jahren begannen auf den ersten Science-Fiction-Conventions immer mehr Fans, sich als ihre Lieblingscharaktere zu verkleiden. Diese Veranstaltungen förderten eine wachsende Kultur, in der Kostümierungen und das Nachahmen von Charakteren ein zentrales Element des Fan-Daseins wurden. Jedoch war es zu dieser Zeit noch nicht der populäre Begriff "Cosplay", sondern eher "Kostümwettbewerbe" und "Fan-Kostüme", die in diesen Kreisen verwendet wurden.
Der Begriff „Cosplay“ entstand erstmals in Japan in den 1980er Jahren, als der japanische Journalist Nobuyuki Takahashi das Wort „Costume“ und „Play“ kombinierte. In Japan fand Cosplay vor allem im Kontext von Anime und Manga statt, was es von den westlichen Traditionen abgrenzte. Zu dieser Zeit begann die Anime- und Manga-Industrie zu boomen, und die Fans begannen zunehmend, sich als ihre Lieblingscharaktere zu verkleiden, insbesondere in Japan, wo Cosplay zu einem festen Bestandteil der Popkultur wurde. Die ersten Cosplay-Wettbewerbe fanden ebenfalls in dieser Zeit statt.
Cosplay in Deutschland
Die Cosplay-Szene in Deutschland nahm ihren Anfang in den späten 1990er Jahren, als immer mehr Fans von Anime, Manga und Comics begannen, sich zu verkleiden und ihre Lieblingscharaktere bei Messen und Conventions zu präsentieren. Die erste große Veranstaltung war die AnimagiC 1999 in Koblenz, die als eine der ersten Anime- und Manga-Conventionen in Deutschland eine Plattform für Cosplayer bot. Mit der zunehmenden Popularität von Anime und Manga in den 2000er Jahren wuchs auch die Zahl der Cosplayer, die sich immer kreativer in ihre Kostüme hüllten. Von den ersten Kostümen, die aus Mamas Kleiderschrank, Pappmaché und schlechten Perücken kombiniert wurden, emanzipierte sich eine Szene, die in ihren Kreationen immer einfallsreicher wurde. Cosplay wurde in Deutschland zu einem beliebten Hobby, das kreatives Schaffen und fremde Welten kombinierte und jeden Cosplayer komplett in einen eigenen Kosmos eintauchen ließ. Deutschland ist heute Heimat vieler großer Conventions wie der Dokomi in Düsseldorf, der Leipziger Buchmesse mit MangaComicCon und der Gamescom in Köln, die auch große Cosplay-Wettbewerbe veranstalten. Cosplay ist hierzulande nicht nur ein Hobby, sondern hat sich zu einer Subkultur entwickelt, die Menschen aus allen Altersgruppen anzieht. Die deutsche Cosplay-Szene ist bekannt für ihre hohe Kreativität und Detailliebe bei den Kostümen, was viele deutsche Cosplayer auf internationalen Wettbewerben erfolgreich macht.
Inspirationen für Cosplay
Als das Hobby Cosplay nach Deutschland kam, war es klar japanisch geprägt. Die ersten Cosplays hierzulande waren geprägt von Animes und Manga wie Sailor Moon, Dragon Ball und Neon Genesis Evangelion. Sehr früh kamen auch Kostüme aus japanischen Videospielen dazu, da sich die Szenen überschnitten. Dazu gehörten insbesondere Charaktere aus den Videospielreihen Zelda und Street Fighter. Doch mit den Jahren weitete sich das Hobby aus und auch durch den Einfluss großer amerikanischer Veranstaltungen wie der San Diego ComicCon wurden die Inspirationen nicht mehr nur aus japanischen Werken gesucht. Amerikanische Superheldinnen wie WonderWoman, der Filmpirat Jack Sparrow und nicht zuletzt die Welt um Harry Potter regten immer mehr Menschen an, ihre eigenen Cosplays zu kreieren.
Zwischen Kauf-Kostümen und handwerklichen Meisterwerken
Viele Außenstehende zucken die Schultern, wenn Cosplayer empört darauf hinweisen, dass Cosplay nichts mit Karneval zu tun hat. “Verkleiden ist verkleiden”, heißt es da. So wird es allerdings kaum ein Cosplayer sehen, denn anders als beim Karneval, ist das Kostüm beim Cosplay nicht Mittel zum Zweck, sondern der Zweck an sich. Es geht um das Kostüm, den Auftritt und auch das Hineinversetzen in die Figur, die man darstellt. Die Posen und Bewegungen sollen zur Figur passen, nicht nur auf einer Cosplay-Bühne. Deshalb heißt es auch Cosplay. In den meisten Fällen ist die Erstellung des Cosplay ein wichtiger Teil des Hobbys. Ob es um das Schneidern des Kostüms, den Waffenbau oder das Erstellen aufwändiger Accessoires geht, jedes Detail wird geplant. Das gilt auch für Menschen, die sich entscheiden, ein Cosplay zu kaufen. Gerade Cosplayer der ersten Generation, die mittlerweile zwischen 40 und 50 sind und neben Job und Familie oft nicht mehr die Zeit haben, ein Cosplay selbst zu gestalten, genießen den Luxus, dass man heute qualitativ gute Kostüme kaufen kann. Was man nicht selbst hergestellt hat, wird dann auf Messen oft mit getreuen Make-up wieder wett gemacht.
Cosplay-Wettbewerbe und -Treffen: Das Herz der Szene
Von Anfang an gehörten Wettbewerbe zum Herz der Szene. Wie wir gehört haben schon in der Science-Fiction-Szene der 1960er. Diese Wettbewerbe und die dazugehörigen Auftritte wurden immer professioneller. Während auf den ersten AnimagiCs in Deutschland häufig noch viel improvisiert wurde (Wobei der Auftritt der Gruppe Chibi Chibi XXX bis heute legendär bleibt) ist heute alles durchgeplant. Vond er Choreographie bis zu Musik über eingespielten Videos, die vorab eingereicht werden müssen.
Professionalisierung von Cosplay
Und hier kommen wir zur Professionalisierung des Hobbies, das vor vielen Jahren so unschuldig begonnen hat. Auch durch Social Media und das Internet ist es heute zum einen möglich, Kostüme auf einem ganz anderen Niveau zu erstellen, als vor 25 Jahren. Neue Techniken werden entwickelt, Bauweisen ausgetauscht und Schablonen können heruntergeladen werden. Ganze Onlineshops widmen sich dem Verkauf von Kostümen, Perücken, Accessoires und Baumaterial. Einzelne Ikonen, die internationale Wettbewerbe gewinnen, können von Werbeverträgen und Einnahmen als Influencer leben. Hinzu kommen einige unschöne Entwicklungen, in denen über die Standards von Kostümen bis zu Körpernormen diskutiert wird, was gerade ind er japanisch geprägten Cosplay-Welt immer häufiger passiert.
Buch-Cosplay für mehr Freiheiten
Parallel entwickelten sich Buch-Cosplays. Das besondere daran ist, dass wir in den meisten Fällen nicht genau wissen, wie die Gewandungen von Buchcharakteren aussehen. Cosplayer haben hier also die komplette Freiheit in ihrer Gestaltung und können sich überall Inspirationen suchen. Das führt dazu, dass eine Vergleichsfähigkeit fehlt, wodurch die Buch-Cosplay-Szene an vielen Stellen entspannter ist und gerade Newbies es leichter haben, anzukommen, ohne unmöglichen Standards genügen zu müssen. Noch dazu sind Cosplays aus jedem Bereich willkommen: Nicht nur Fantasy und Science-Fiction, auch College-Romane und Bücher mit LGBTQ+ Schwerpunkt bieten Ideen für coole Cosplays in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Um diesem besonderen Bereich des Cosplays eine Heimat zu bieten, veranstaltet der WunderZeilen Verlag seit 2024 einen Buch-Cosplay-Wettbewerb auf der Leipziger Buchmesse, bei der alle willkommen sind.
Gibt es Bücher über Cosplay?
Es gibt unheimliche viele Bücher über Cosplay. Bildbände von berühmten Cosplayern, Anleitungen zum Gestalten von Cosplays, Guides und Ratgeber, die sich diesem kreativen Hobby widmen. Bücher, die Cosplay in einer Geschichte zum Thema haben, gibt es eher weniger und sind auch schwer zu ergoogeln, da die Ratgeber hier die Suchmaschinenplätze blockieren. Eines der ersten in Deutschland erschienenen Bücher, das eine Cosplay-Gruppe in den Vordergrund stellt, ist Cosplay Saves the Multiverse von Mary Stormhouse. Also mir. Da ich mich zur ersten Generation Cosplayer in Deutschland zähle und ich, auch wenn mir häufig die Zeit fehlt, dieses Hobby immer noch liebe, fand ich es an der Zeit, dass eine Cosplay-Gruppe stellvertretend für alle Nerds zu Heldinnen eines Romans wird. Ich hoffe, dass diese Geschichte andere inspiriert, das Hobby zu entdecken oder auch über Cosplay zu schreiben.
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